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2015

Präsidentenwahl

Schäden, vom Erdbeben verursacht, sehen wir in Port au Prince nicht mehr. Wenige noch vorhandene Ruinen sind von der tropischen Vegetation überwachsen. Aber an wie vielen Stellen, an denen jetzt nichts steht, war vorher ein Gebäude? Welches? Wie hoch? Da und dort kann es uns jemand sagen. Dabei merken wir, dass unsere Eindrücke jeweils nur halbrichtig sind.

Auf den Strassen in den Norden nach Cap Haitien sowie nach Jacmel im Süden ist jedoch die – wenn überhaupt vorhandene – chaotische Transportstruktur, fehlende Unfallversorgung und die ganze wirtschaftliche Misere der Bevölkerung rechts und links der Strassen sichtbar.

Immer noch gehen, trotz der nun offiziell eingeführten Schulpflicht, nicht alle Kinder zur Schule. Die meist alleinerziehenden Mütter haben oft nicht das Schulgeld für die oft noch privaten Schulen und die obligatorische Schuluniform. Öffentliche Schulen gibt es wenige, und die haben keinen guten Ruf. So sind die Jugendlichen in „unseren“ Einrichtungen privilegiert; das scheinen sie zu wissen und das motiviert sie sehr zum Lernen.

Nach Cap Haitien wollten wir von Port au Prince auf der Nationalstrasse 1 fahren, deren Weiterbau wir schon vor 2 Jahren gesehen hatten, als wir in Hinche waren. Zwar meinte unser Fahrer in Port au Prince, bedenklich den Kopf schüttelnd, dass es besser sei, die andere Route zu nehmen. Die führt an der Küste des Golfes entlang über Gonaive. Unsere neue Karte von Hispaniola aber zeigte die Strasse N1, die die Hauptstadt des Landes mit dem Norden verbindet, und deren Ausbau ein Beitrag der EU zur Wiederherstellung der Infrastruktur nach dem Erdbeben sein sollte, in durchgehend erster Qualität an.

Vor zwei Jahren waren wir angetan von dem fertigen Stück bis Hinche, hatten die Baustelle darüber hinaus mit den vielen dabei – auch an schweren deutschen Maschinen – beschäftigten Haitianern als einen guten und sinnvollen Teil von Hilfe gesehen.

Am Abend vor der Abfahrt sprechen wir durch Zufall einen Herrn im Hotel, kommen auf unsere morgige Fahrt zu sprechen: „Tun Sie sich das nicht an, fahren sie am Golf entlang. Die N1 ist jenseits von Hinche noch die alte Piste, schlimmer denn je. Ich bin der EU-Beauftragte für dieses Projekt. Wir haben alle Maschinen vor Ort, aber wir kommen nicht weiter, die Baustelle steht. Die haitianische Regierung hat für die Raumordnungsplanung, für die Enteignung der Grundstücke zu sorgen. So war es in der Vereinbarung festgelegt. Geschehen ist nichts.

Also nehmen wir die N 3 hinaus aus der Stadt an die Küste nach Westen. Der Reisetag mit dem AVIS SUV zeigt Haitis Unversorgtheit und Unordnung, aber auch die Stärken der Menschen, die so eine Misswirtschaft, so einen nicht funktionierenden Staat nicht verdienen.

Ein offensichtlich toter Mann liegt mitten auf der Schnellstrasse, nur 30 km hinter Port au Prince. Kein Bergungswagen weit und breit, keine Polizei, nur ratlose Menschengruppen rechts und links am Strassenrand. Wir sind erschrocken und der Schreck bleibt lang hängen, auch als wir zu dritt darüber sprechen.

Die Strasse geht über Gonaive und den schönen Pass von Plaisance. Auf der Strecke bergab gibt es eine Reihe von Baustellen, aber heute am Sonntag ist der Verkehr mässig. Es geht gut voran, bis wir in Camp Coq, hinter der Polizeistation an einer Reihe von Bussen und Wagen vorbeikommen, die wir überholt hatten. Also wollten die alle nur bis hierher fahren, denken wir uns, der Ort scheint beliebt zu sein, hier oben in den Bergen. Dann liegen, gleich hinter der Brücke am Ortsausgang, vor uns grosse Steine auf der Fahrbahn. Ein aufgeregt schwitzender Junge ist geduckt, ganz eng am Fahrerfenster „Fermé, fermé! retour, retour!“ versucht er Dieter rückwärts zu dirigieren. Der erste geworfene Stein dröhnt auf dem Dach, der zweite lässt den Rückspiegel zersplittern, rechts auf dem Hügel sind die grölenden Werfer, vom Hang links kullern weitere, zum Schleudern zu grosse Brocken auf die Strasse.

Rückwärts die kurze Strecke zur Brücke, den Wagen gewendet und nun an all den stehenden Bussen, LKW und privaten Wagen vorbei, Wir stellen uns an den Strassenrand, steigen aus und reden mit den anderen: Wegen der vermuteten Fälschungen der drei Sieger beim ersten Wahlgang unter sechsundfünfzig(!!) Präsidentschaftskandidaten gäbe es die Tumulte bis nach Limbé. Der Knotenpunkt auf der Strecke nach Cap Haitien sei nicht zu umgehen, man könne nur abwarten. Ein Umweg zurück über den Pass sei viel zu weit, die Strassen auf der einen möglichen Route schlecht, auf der anderen mit unserem kleinen SUV gar nicht zu befahren.

Die zum Teil martialisch Uniformierten auf der Polizeistation wissen auch nix, zum Eingreifen sind sie zu schwach, über den Zustand der anderen Strassen uneinig, und über ein mögliches Ende des Krawalls können sie nichts sagen.

Ganz einer Meinung sind wir nicht – trotzdem entschliessen wir uns, zurück zu fahren. Es ist erst 13:00. Nach sieben Stunden Fahrt über schlimme Schotterpisten, durch sieben Furten und einer Reifenpanne, bei der uns freundlich, sachkundig und schnell von einer Familie geholfen wird, die eigentlich den Sonntagnachmittag beschaulich auf ihrer Terrasse verbringt, sind wir am späten Abend in unserem Hotel in Cormier Plage bei Cap Haitien.

Ein kleiner Bus aus der Warteschlange, mit dessen Fahrer wir gesprochen hatten, war nach Ende der Strassensperre mit seinen Gästen gegen 15:00 im Hotel angekommen.

Nach Strandlauf und Morgenbad im schmeichelnd warmen, ruhigen Meer hinter dem Riff und Frühstück mit köstlicher Mango fahren wir nach Cap Haitien, lassen zur Vorsicht den Ersatzreifen reparieren und kommen zum Lakay, dem Wohnhaus für ehemalige Strassenkinder, auf dem Gelände der Don-Bosco-Brüder. In den nächsten Tagen folgen die Besuche bei den anderen Organisationen, die wir in den letzten Jahren unterstützt haben. Dazu mehr in den folgenden Berichten.


2015

Resumee

Es gibt viele Erklärungen, warum Haiti nicht auf die Beine kommt. Das Erdbeben vor fünf Jahren war nur der schreckliche Punkt auf dem i. Trotz des Wiederaufbaus sind wenige tragende Perspektiven sichtbar. Also werden vorläufig einige der besten jungen Haitianer, wenn sie können, weiterhin ihr Land Richtung USA und Kanada verlassen, wie schon seit bald 100 Jahren, werden so weiterhin dem Land Kraft entziehen.

Unseren Bericht der ersten Haiti-Reise 2013 schlossen wir damit, dass die Karibik in unseren fünfzehn Schiffs-Jahren in den Antillen ein wenig zu „unserem Afrika“ geworden sei, dass wir hier etwas zurückgeben könnten, hier würde es gebraucht. Das hat sich nicht verändert. Noch immer vermitteln die Haitianer den Stolz darauf, sich als erste der verschleppten Sklaven gewehrt, ihre Freiheit und Selbstständigkeit, ihren eigenen Staat erkämpft zu haben.

Bei den fünf Organisationen, deren Einrichtungen wir zum zweiten Mal besucht haben, können wir oft erstaunliche Fortschritte und immer wieder das Engagement der Mitarbeiter bewundern. Wie vor zwei Jahren sehen wir den guten Geist, der überall weht, den persönlichen Einsatz. Bei allen wandert fast jeder durch Spenden eingenommene Cent in die Arbeit, in die Hilfe hier.

Wir werden das unserer Stiftung in diesen Jahren zur Verfügung stehende Budget weiter hier verwenden; jede Unterstützung ist notwendig und jede kommt dort an, wo sie gebraucht wird.

Wieder bitten wir Euch, sollte jemand dabei helfen können und wollen, einmalig oder laufend, dies zu tun.

Sowohl unsere Stiftung des öffentlichen Rechtes, als auch die anderen, im Text aufgeführten Organisationen stellen selbstverständlich für jede Spende eine nach § 10b EKStG abzugsfähige Spendenquittung aus.

PHAIDROS die Gottberg-Allers-Jugendstiftung

IBAN DE11700202700015059969
BIC HYVEDEMMXXX

www.phaidros-jugendstiftung.org

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